contraste veröffent­licht Themen­schwer­punkt zu CLTs & Stadt­boden­stiftung
  • ©contraste Ausgabe 21|04
  • ©contraste Ausgabe 21|04

Die „Contraste – Zeitung für Selbstorganisation“ – hat in ihrer April-Ausgabe 2021 einen Schwerpunkt zum Thema „Community Land Trust“ veröffentlicht, der in Kooperation mit dem Redaktionsteam der Stadtbodenstiftung Sabine Horlitz und Holger Lauinger entstanden ist. Der Schwerpunkt enthält eine ausführliche Beschreibung des CLT-Modells, seiner wesentlichen Strukturmerkmale, der Geschichte und einiger international erfolgreich praktizierter Projektbeispiele.

Die Potentiale der neugegründeten Stadtbodenstiftung als ideelle Fortführung und erstmalige Umsetzung eines CLT-Ansatzes in Berlin und Deutschland diskutieren die Vorstände Sabine Horlitz, André Sacharow mit den Kuratoriumsmitgliedern Asli Varol, Orhan Esen, David Robotham und Bettina Barthel von der Berliner Regionalberatung des Mietshäuser Syndikat im folgenden Interviewgespräch.

Wir danken der contraste für die Kooperation und Möglichkeit der ausführlichen Darstellung unserer Intention.

„Ein Instrument der Selbstermächtigung für die Berliner Stadtgesellschaft!“ – ein Interviewgespräch über die neugegründete Stadtbodenstiftung in Berlin

Welche Potentiale seht Ihr in der Gründung einer zivilgesellschaftlichen Bodenstiftung?

Asli: Für mich ist neben der Marktferne der demokratische Aspekt der Stiftung besonders relevant. Die Stiftung möchte auch eine Alternative zur Top-Down-Planung sein. Wir haben eine Struktur entwickelt, in die sich Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen einbringen und mitentscheiden können. Ich arbeite als Architektin mit Geflüchteten zusammen, beispielsweise im Projekt „Campus Cosmopolis“, bei dem wir gemeinsam ein Wohnprojekt entwickeln. Ich möchte mit der Stiftung Strukturen und Projekte realisieren für und mit benachteiligten Menschen oder Gruppen, die sonst im stadtpolitischen Diskurs kein Gehör finden, weil sie den hohen Aufwand der Selbstorganisation und den Konkurrenzdruck im Wettbewerb um die letzten Restflächen in der Stadt nicht alleine bewältigen können. Sobald wir als Stadtbodenstiftung Projekte eigenständig entwickeln, sollten wir beginnen, die Stadt auch aus der Perspektive von benachteiligten Menschen zu gestalten. Ich möchte sehr, dass diese Stiftung mehr kann, als von Investor:innen bedrohte Häuser vom Markt zu nehmen. Das ist natürlich sehr wichtig. Aber gerade unsere Community-Orientierung kann uns eines Tages noch mehr ermöglichen.

Orhan: Ich sehe in der SBS ein Instrument der Selbstermächtigung für die Berliner Stadtgesellschaft. Der Berliner Immobilienmarkt ist den globalen Kapital- und Investoreninteressen stark ausgesetzt. Verunsicherung bis Hilflosigkeit macht sich nicht nur bei den diversen kleinen, mittellosen Mietern breit, sondern auch bei anderen „kleinen Akteuren“ wie den kleinen Eigentümer:innen“ von Immobilien. Es gibt ein großes Bedürfnis nach Wohn- und Nutzungssicherheiten, nach langfristig bezahlbaren Mieten. Dieses Bedürfnis kann die Stadtbodenstiftung gewissermaßen treuhänderisch im Namen einer sich selbstorganisierenden Stadtgesellschaft erfüllen. Persönlich fände ich als Stadtforscher und als aus Istanbul kommender „Neu-Berliner“ auch einen vergleichenden Diskurs über die Unterschiede dieser beiden Städte spannend. Historisch betrachtet war der Boden Istanbuls überwiegend Stiftungsvermögen. Sie wurde durch Stiftungen urbanisiert, das Privateigentum am Boden hatte erst sehr spät Einfluss in der Stadtentwicklung. Dieser Tradition verdanken wir, dass Istanbul heute ein geringeres Wohnungsproblem als Berlin hat. Es leben 16 Millionen Menschen in der türkischen Metropole, weitere vier Millionen könnten dort noch Wohnraum finden. Das mehr als Randnotiz, aber auch weil es in Berlin eine sehr große türkische Gemeinschaft gibt, die wir mit der Stadtbodenstiftung auch ansprechen wollen.

David, Du arbeitest als Projektmanager in einer Wohnungsgenossenschaft. Welche Möglichkeiten siehst Du in der Stadtbodenstiftung? Welche Potentiale kann sie in Kooperation mit Genossenschaften entwickeln?

David: Von der Stadtsoziologie kommend habe ich mich in den letzten Jahren immer mehr für die operativen Aspekte von Projekten interessiert. Ich sehe, dass sehr viele Initiativen in der Stadt mit äußerst hohem Ressourcenaufwand am Rande der Selbstausbeutung an sehr ähnlichen Themen arbeiten. Nicht alle haben das nötige Wissen, die Zeit und Energie, die beispielsweise der Aufbau eines selbstverwalteten Projekts braucht. Die Stadtbodenstiftung kann ein Akteur sein, um auch diesen Initiativen ein Angebot zu machen. Sie kann Ressourcen und Kapazitäten aufbauen, um Prozesse zu unterstützen – mit Wissenstransfer, aber auch in der Befähigung, Gelder zu akquirieren. Weil durch das Erbbaurechtsmodell keine Rendite extern abfließt, sehe ich irgendwann sogar eine Chance auf exponentielles Wachstum. Eine Stiftung ist ja ein Langzeitprojekt über Generationen hinweg. Deshalb ist die Stadtbodenstiftung auch auf Partner:innen angewiesen, die die Gebäude sozial und nachhaltig bewirtschaften können. Da bieten sich Kooperationen mit Genossenschaften an, die von sich aus darauf ausgerichtet sind, ihren Mitgliedern möglichst günstigen Wohnraum anzubieten.

Was ist Euer Anspruch und was sind realistische Entwicklungsziele für die kommenden fünf Jahre? Sind erste Projekte in Aussicht?

André: Wir wollen in den ersten Jahren mehrere beispielhafte Grundstücke und Häuser sichern und entwickeln. Wichtig ist, dass wir dabei an unterschiedlichen Orten zeigen, wie anders mit städtischem Boden umgegangen werden kann – vom bestehenden Mehrfamilienhaus in Kreuzberg bis zum Neubauprojekt am Stadtrand, vom Gewerbehof zum Gemeinschaftsgarten. Damit kann die Stiftung mittelfristig auf eigenen Füßen stehen und hat zugleich ein Fundament, um langfristig zu wachsen. Wir sind momentan in fortgeschrittenen Verhandlungen bezüglich unseres ersten Projekts mit den Eigentümer:innen eines innerstädtischen Mietshauses. Sie möchten ihre Immobilie verkaufen und zugleich sicherstellen, dass die dortigen Mieter:innen vor stark steigenden Mieten oder Verdrängung geschützt werden. Wir hoffen, dass wir das Projekt noch vor dem Sommer realisieren können.

Wie sollen Projekte finanziert werden?

André: Die Stadtbodenstiftung finanziert ihre Projekte aus eigenem Stiftungsvermögen, für das wir laufend Zustiftungen einsammeln, mithilfe solidarischer Darlehen von Unterstützer:innen sowie klassischen Bankdarlehen. Mittelfristig werden wir versuchen, weitere Partnerschaften mit Organisation aufzubauen, die ihr Vermögen ethisch anlegen wollen, und wollen auch auf EU-Ebene Mittel einwerben. Langfristig wollen wir aus unseren eigenen Rücklagen Projekte umsetzen.

Bettina, wie wird die Stadtbodenstiftung bei der Regionalberatung des Mietshäuser Syndikats wahrgenommen?

Bettina: Zunächst einmal gehört das Mietshäuser Syndikat zu den Gründungsstifter:innen der Stadtbodenstiftung. Wir wünschen uns, dass die Stiftung möglichst bald ein handlungsfähiger Akteur ist und Ankäufe tätigt. Ein Vorteil der Stadtbodenstiftung ist, dass sie Projekte mit verschiedenen Rechtsformen miteinander verbinden kann. Die Stiftung kann durch ihre Gemeinnützigkeit zudem steuerlich günstiger Immobilien entgegennehmen, beispielsweise als Erbschaft. Durch die Trennung von Haus und Boden ermöglicht die Kooperation mit dem MHS eine doppelte Absicherung, die verhindern kann, dass Häuser aufgrund von Schwächephasen der Gruppen verloren gehen. Besonders interessant bei der Stadtbodenstiftung finden wir zudem die strukturelle Verankerung des Nachbarschaftsbezugs. Die Häuser des Mietshäuser Syndikats haben einen hohen Autonomiestatus. Sehr viele haben Verbindungen zu ihrer nachbarschaftlichen Umgebung und sind stadtpolitisch aktiv, andere könnten ihre räumlichen Potentiale durchaus solidarischer und mit mehr Bezug zur Außenwelt aushandeln. Die Nachbarschaft strukturell in den Commons-Ansatz einzubeziehen, das ist spannend. Besitzt natürlich aber auch Konfliktpotential.

Siehst Du Kooperationsmöglichkeiten?

Bettina: Ich finde es sehr interessant, über eine Zusammenarbeit zwischen Mietshäuser Syndikat und Stadtbodenstiftung nachzudenken. Es gibt immer wieder Mieter:innengemeinschaften von Häusern in Vorkaufssituationen, die sich nicht zutrauen, adhoc Selbstverwaltungsstrukturen aufzubauen, weil das eigentlich ein längerer Lernprozess ist und mit vielen auch persönlichen Anforderungen verbunden ist. Im Mietshäuser Syndikat gibt es ja keine zentrale Verwaltung für beteiligte Häuser. Ein kleines „Bildungswerk der Selbstorganisation“ in Kombination mit dem Angebot einer übergangsweisen Hausverwaltung wäre beispielsweise eine Idee für eine wichtige Kooperation – neben der Möglichkeit, gemeinsam Projekte zu realisieren. Es wäre wünschenswert, dass es für Häuser die Möglichkeiten gibt, sich Kenntnisse und Fähigkeiten der Selbstorganisation anzueignen, aber auch die Möglichkeit, Teile der Selbstverwaltung wieder oder vorübergehend an eine vertrauensvolle Struktur abgeben zu können, falls sich eine Überforderungssituation ergibt. Die Stadtbodenstiftung hat sich ja auch den gemeinnützigen Zweck und Auftrag zur Bildung gegeben.

Aus welchen Gründen hat sich Eure Initiative für den Rechtskörper „Stiftung“ entschieden?

Sabine: Wir haben viel darüber diskutiert, welche hiesige Rechtsform zum Community Land Trust-Ansatz passen könnte. Hundertprozentig perfekt ist keine. Wir haben uns schließlich für die Rechtsform Stiftung entschieden, da sie die größtmögliche Absicherung gegen Wiederverkäufe des Bodeneigentums, eventuelle Bereicherungen am Vermögen oder Reprivatisierungen bietet. Neben der internen demokratischen Selbstkontrolle wird die Stiftung auch extern von der Stiftungsaufsicht im Hinblick auf die Einhaltung der Satzung sowie vom Finanzamt im Hinblick auf die Gemeinnützigkeit kontrolliert. Unsere Aufgabe der letzten Monate war dann, Strukturen zu entwickeln, mit denen die Demokratisierung dieser bislang eher weniger demokratisch organisierten Rechtsform dauerhaft umgesetzt werden können. Wir haben anderthalb Jahre mit der Stiftungsaufsicht verhandelt wie wir die demokratischen und nachbarschaftlichen Elemente im Stiftungsmodell strukturell verankern können. Wir werden drei Stiftungsorgane haben: den für das operative Geschäft zuständigen Vorstand, das Kuratorium als zentrales Entscheidungsorgan, in dem beispielsweise auch gewählte Vertreter:innen aus Nutzer- und Nachbarschaft sitzen, sowie das mit einer Mitgliederversammlung vergleichbare Stiftungskommittee, das offen ist für alle Projektbeteiligte, für Nachbar:innen und Stifter:innen und das die jeweiligen Vertreter:innen ins Kuratorium wählt.

Jetzt gibt es ja schon zwei größere Bodenstiftungen, die auch in Berlin aktiv sind. Was unterscheidet die Stadtbodenstiftung von diesen? Wie ist das Verhältnis zueinander?

André: Eine wirkungsvolle solidarische Stadtstadtentwicklung braucht viele verschiedene Akteure und Kooperationen. Die Bodenstiftungen trias und Edith Maryon sind Partnerinnen, von denen wir lernen können. Sie sind auch ein Spiegel für die eigene Reflektion. Wie können wir unser Potential stärken, beispielsweise bei Themen der Nachbarschaft und der besonderen sozialen Ausrichtung? Die Stiftungen sind selbstverständlich auch mögliche Kooperationspartnerinnen. Es kann sehr produktiv sein, unsere verschiedenen Kompetenzen zusammenzubringen. Beispielsweise die größere Basisorientierung der Stadtbodenstiftung und der Fokus auf Nachbarschaftsarbeit mit der langjährigen Erfahrung in nachhaltiger Projektsteuerung, der Expertise in Finanzierungsstrategien und natürlich auch den Möglichkeiten einer kurzfristigen Kapitalmobilisierung der beiden anderen Stiftungen.

Sabine: Ein Unterschied zwischen den vorhandenen Bodenstiftungen und der Stadtbodenstiftung ist, dass wir uns bewusst für eine lokale Orientierung entschieden haben. Wir beabsichtigen nicht, bundesweit tätig zu werden. Unser CLT-Ansatz fokussiert ausschließlich auf Berlin und das nähere Umland. Wir betrachten sie Stadtbodenstiftung eher als ein Modell oder Pilotprojekt, das von anderen Initiativen an anderen Orten aufgegriffen und den lokalen Bedürfnissen entsprechend realisiert werden kann.

Wie diskutiert ihr das Thema öffentlicher Förderungen?

Sabine: Da gibt es bei uns keinen einheitlichen Diskussionsstand. Wir sehen das Potential öffentlicher Förderungen, aber auch sehr deutlich die Problematiken, die damit einhergehen können, gerade auch langfristig. Die Stadtbodenstiftung benötigt fraglos nicht geringe finanzielle Mittel, um handeln zu können. Es wäre insofern eine große Unterstützung, wenn wir in den kommenden Jahren eine Anschubförderung vom Land bekämen. Wir wollen und werden jedoch keine „zweite Verwaltung“ sein, keine Organisation, die ängstlich guckt, dass ihr Handeln immer kompatibel zu den vorhandenen Fördertöpfen bleibt. Unabhängigkeit und auch eine Portion Mut sind für den Aufbau der Stadtbodenstiftung unerlässlich.

André: Wir verstehen uns in einem größeren gesellschaftlichen Transformationsprozess. Es braucht auch ein neues Verständnis von Kooperationen zwischen zivilgesellschaftlichen Initiativen und der Verwaltung. Es kann auch Potential haben, in ansprechbarer Nähe zu einer Kommune zu stehen. Es gibt ja durchaus Interessensüberschneidungen. Es besteht zudem Möglichkeit für zustiftende öffentliche Körperschaften, einen Vertreter bzw. eine Vertreterin ins Kuratorium zu entsenden.

David: Eine finanzielle Abhängigkeit ist aber unbedingt zu vermeiden. Was aber kann die Perspektive sein? Als Genossenschaft sind wir vor 20 Jahren aus einer starken zivilgesellschaftlichen Initiative entstanden. Dann gab es staatliche Förderungen und gute Konditionen, die auch politisch durchgesetzt wurden. Jetzt bauen wir als unabhängige Genossenschaft auch größere Neubauprojekte. Es ist spannend so eine Organisation aufzubauen. In den ersten fünf Jahren wird es eine sehr große Anstrengung sein. Das Gute an der Stadtbodenstiftung ist aber auch ihre Offenheit gegenüber der Zivilgesellschaft. Wir können Kleinstbeträge, größere Förderungen von Institutionen, aber auch Nachlässe und Immobilien entgegennehmen und entwickeln. So kann die Stadtbodenstiftung wachsen und mit kooperativer Unterstützung zu einem wirkungsvollen Akteur werden und schließlich auch in drängenden Vorkaufsituationen sagen können: Ok. Wir machen das!

Was bedeutet es für die Bewohner:innen und die Nachbarschaft, wenn ein Haus oder Grundstück von der Stadtbodenstiftung gekauft wird?

Orhan: Dann wird sich etwas ändern, aber was genau ist jedes Mal auch eine offene Frage. Wie bildet und entwickelt sich bei einem positiven Angebot in einer sehr verdichteten und anonymen Großstadt wie Berlin eine Nachbarschaft oder „Community“? Nachbarschaften in Großstädten sind relativ komplex zu erfassende Gebilde. Es gibt viel Nebeneinander, auch Gegeneinander. Communities bilden sich auch nicht unbedingt nur räumlich ab. Der Gedanke an das Gemeinsame in den Kiezen entwickelt sich bisher vorwiegend in Gefährdungssituationen, beispielsweise wenn Google ein Headquarter im Quartier eröffnen möchte oder ähnliches. Dann wird gemeinsam mobilisiert. Umgekehrt, als Positivangebot ist das für uns auch erst einmal eine Herausforderung, für die es auch keine Standardansätze gibt. Dies ist ein interessantes Feld, in das sich die Stadtbodenstiftung mit ihrem Nachbarschaftsansatz einbringen kann.

Sabine: Es gibt in Berlin aber auch sehr unterschiedliche räumliche Kontexte. Ich wohne beispielsweise seit langem in einer ehemaligen innerstädtischen Randlage, die sich bedingt durch den Mauerbau, durch die bauliche und die Sozialstruktur deutlich von der Umgebung unterscheidet. Natürlich gibt es da Veränderungen, aber es gibt auch durchaus einen von außen vielleicht nicht sofort erkennbaren nachbarschaftlichen Zusammenhalt. Ich würde mir wünschen, dass die Stadtbodenstiftung für solche Dinge sensibel ist und die lokalen Bedarfe auch und gerade der nichtorganisierten Zivilgesellschaft aufgreift. Als Stadtforscherin war ich mehrmals in den USA und fand das Commmunity-Organising und die Form von Bottom-up Stadtentwicklung, wie sie beispielsweise in manchen CLTs praktiziert wird, sehr beeindruckend. Meines Erachtens fehlt diese Hinwendung auch zu „normalen Leuten“ der Linken und insbesondere den hiesigen Hausprojekten. Von Tür zur Tür zu gehen, Leute direkt anzusprechen und aus der Nachbarschaft heraus etwas Konstruktives zu entwickeln, sollte fester Bestandteil der Projektentwicklung der Stadtbodenstiftung sein, insbesondere bei Neubauvorhaben, aber auch bei Projekten mit einem großen Anteil an gewerblichen Räumen. Ich möchte nachbarschaftsrelevante Commons-Projekte realisieren mit den Ansätzen der Selbstorganisation und der Selbstverwaltung im Gemeineigentum. Ähnlich den Syndikatsprojekten, aber mit einer breiteren Klientel und einer stärkeren sozialen Ausrichtung.

Asli: Oft wird zudem vergessen, dass es in Berlin immer noch nicht akzeptable Leerstände gibt. Mir ist wichtig zu betonen, dass wir als Stiftung beim Thema Nachbarschaften, in dem Moment, in dem wir die Möglichkeit bekommen, neue Projekte in offenen Räumen anzugehen, auch bisher verhinderte und von daher nicht-existente Nachbarschaften mit benachteiligten, an den Stadtrand verdrängten Milieus mitbedenken sollten.

André: Wir gehen also spannenden und offenen Fragen entgegen: Wie werden wir es schaffen, Macht zu transferieren von Institutionen und Gruppen, die in diesen Verhältnissen gut funktionieren zu jenen, die eigentlich immer benachteiligt sind? Wie werden wir es mit unserer eigenen Vielstimmigkeit schaffen, Räume und Nutzungen vor allem für Menschen zu ermöglichen, die ansonsten keine Chance auf Raumangebote haben? Was bedeutet für uns Gemeineigentum und was heißt, es eine Stiftung zu errichten, die keinem gehört, aber professionell arbeiten und konkrete Projekte realisieren soll? Fangen wir also damit an …

Das Interviewgespräch führte Holger Lauinger