Teil 2 Bericht Workshopreihe: Stiftungskomitee und Finanzierungsmodelle
  • Aufruf zum Gestalten eines Wandbildes © Champlain Housing Trust
  • Fertiges Wandbild © Champlain Housing Trust
  • Struktur des Mietshäuser Syndikats © MHS
  • Finanzierungsstruktur Mietshäuser Syndikats © MHS
  • Ausschnitt Titelblatt Broschüre zum Mietshäuser Syndikat © MHS

Aufbauend auf dem ersten Workshop zur Rolle von Nachbarschaft in der Arbeit der Stadtbodenstiftung, zielte der zweite Workshop am 10.12.2021 auf die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses zur Konzeption und zum Aufbau des zukünftigen Stiftungskomitees sowie auf das Kennenlernen vergleichbarer Organisationsmodelle. Der dritte und letzte Workshop der Reihe am 14.12.2021 schließlich widmete sich den Finanzierungsmodellen und damit zusammenhängenden möglichen Kooperationen der Stadtbodenstiftung.

Das Stiftungskomitee als Generalversammlung

Die Stadtbodenstiftung ist als Stiftung mit drei zentralen Organen konzipiert: dem Kuratorium als zentralem Vertretungs- und Entscheidungsorgan, dem Vorstand als Geschäftsführung und dem Stiftungskomitee als einer Art Generalversammlung. Während die beiden erstgenannten Organe bereits eingerichtet sind, befindet sich letzteres noch in der Planungsphase. Das Stiftungskomitee ist für alle an den Projekten Beteiligten, für Mieter:innen und Nachbar:innen ebenso offen wie für alle Stifter:innen. Es hat u.a. die Aufgabe, die im Kuratorium vertretenen Repräsentant:innen der Nutzer- und Nachbarschaft sowie der Stifter:innen zu wählen und ist als wesentliches Gegenüber zu Kuratorium und Vorstand konzipiert. Die detaillierte Ausgestaltung ist dabei noch offen.

Um für die Konzeption und den Ausbau des Stiftungskomitees aus den Erfahrungen anderer Organisationen zu lernen, luden wir Jochen Schmidt vom „Mietshäuser Syndikat“ in Freiburg und Brenda Torpy, ehemalige Geschäftsführerin des „Champlain Housing Trust“ in Burlington/Vermont ein. Beide stellten die Strukturen und Entscheidungsprozesse ihrer jeweiligen Organisationen vor und berichteten von den dortigen Mitgliederversammlungen.

Beispiel Mietshäuser Syndikat

© MHS

Bei der Struktur des Mietshäuser Syndikats liegt der Fokus auf Selbstorganisation und Basisdemokratie. Dort finden die Mitgliederversammlungen auf Initiative der jeweiligen Regionalkoordinationen statt und werden von diesen organisiert und umgesetzt. Unterbringung, Programm und thematische Setzungen der einzelnen Mitgliederversammlungen sind entsprechend variabel. Dies erfordert ein offenes Organisationsklima und führt zugleich zu niedrigschwelligen Gestaltungsmöglichkeiten. Getragen wird die konstruktive Zusammenarbeit durch ein Konsensprinzip in den Abstimmungen und der Anpassungsfähigkeit der Gesamtstruktur, die sich im Verlauf der letzten 30 Jahre den Anforderungen einer wachsenden Organisation entsprechend immer wieder neu ausgestaltet hat.

Beispiel Champlain Housing Trust

© Champlain Housing Trust

Der Champlain Housing Trust, der größte CLT der USA, beeindruckt durch die Professionalität und die Vielzahl an Projekten und Aktivitäten. Er umfasst mehr als 2.300 Haushalte und zeichnet sich durch eine breite Nutzungsmischung aus, die von Mietwohnungen über Genossenschaften und gewinnbeschränkte Einfamilienhäuser bis zu Gewerbeflächen und sozialen Angeboten reicht. Einige der Wohnungen werden zudem besonderen Bedarfsgruppen und betreutem Wohnen vorbehalten. Über die sozialen Nutzungen auf eigenem Grund und Boden hinaus, engagiert sich der Champlain Housing Trust auch in der Nachbarschaftsentwicklung und baut bzw. saniert Gebäude für nachbarschaftliche Zwecke, vom Waschsalon und der Autowerkstatt bis zu Beratungsstellen für Obdachlose. Advocacy Trainings für Mitglieder des CLTs ermächtigen diese, sich für mieterfreundliche Politiken einzusetzen. Die jährlichen Mitgliederversammlungen im Hotel Hilton mit mehreren hundert Teilnehmer:innen dienen nicht nur der Wahl von Vertreter:innen in das mit dem Kuratorium der Stadtbodenstiftung vergleichbare Gremium, sondern sind auch ein wichtiges soziales, den Zusammenhalt stärkendes Ereignis des CLTs.

Im Transfer auf die Stadtbodenstiftung drehte sich das Gespräch kontrovers um die Frage, was Menschen dazu bewegen würde, sich im Stiftungskomitee zu engagieren: Sind attraktive Bildungsangebote, der Austausch zwischen den Projekten oder die Mitspracherechte stärkere Anreize für eine Beteiligung? Motivieren verschiedene Formate unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen zum Mitmachen? Ist das Stiftungskomitee eher ein Ort für „die üblichen Verdächtigen“ und stadtpolitisch Aktiven oder soll es gerade ein Ort für diejenigen sein, die sonst nicht gehört werden? Diese Fragen zu klären wird die Aufgabe der Stadtbodenstiftung in der nächsten Zeit sein. Bevor das Stiftungskomitee errichtet wird, soll es als nächsten Schritt zunächst ein informelles Treffen für Interessierte organisiert werden.

Mögliche Finanzierungsmodelle

Mit dem dritten Workshop „Wege zum Boden – Projektentwicklungs- und Finanzierungsmodelle“ wandten wir uns den Projektentwicklungs- und Finanzierungsfragen im Aufbau der Stadtbodenstiftung zu. Ziel der Stadtbodenstiftung ist, Boden vom Markt zu nehmen, ihn dauerhaft treuhänderisch zu verwalten und für günstigen Wohnraum und nachbarschaftliche Nutzungen anzubieten. Wie aber kann die Stiftung bei den aktuellen Marktbedingungen Boden erwerben und bezahlbare Projekte entwickeln? Wo liegen die Spiel- und Handlungsräume für eine Stiftung im Aufbau mit aktuell begrenztem eigenem Stiftungskapital?

Um diesen Fragen nachzugehen stellte der Vorstand zunächst die Erwerbsmodelle „Kaufen“, „Schenken“, „Erben“ und die Entwicklung von Immobilienprojekten vor. Dabei ging es um die jeweiligen rechtlichen wie finanziellen Implikationen sowie mögliche Kooperationspartner:innen sowie die Problematik der Gemeinnützigkeit und die Vorgaben der Abgabenordnung. Ein Kommentar von Benedikt Altrogge, Branchenkoordinator für Wohnen der GLS Gemeinschaftsbank, ergänzte, welche Parameter für die Bewertung von Finanzierungsmodellen aus der Perspektive der Bankenfinanzierung relevant sind.

Diese recht abstrakten Inputs wurden durch zwei Fälle aus der Praxis konkretisiert: Der erste Fall thematisierte die mögliche Finanzierungsstruktur eines gemeinsamen Kaufs einer Immobilie durch die Stadtbodenstiftung und eine kooperierende Genossenschaft unter Marktwert. Hier konnte gezeigt werden, wie Kaufpreis, Miethöhe und Erbbauzins voneinander abhängen. Im zweiten Fall ging es am Beispiel des selbstverwalteten Gewerbeprojekts ExRotaprint um die für die Stadtbodenstiftung interessante Möglichkeit der Kooperation von zwei Stiftungen, einer neu gegründeten und einer größeren, finanzkräftigeren für den gemeinsamen Bodenerwerb.

Ziel des Workshops war es, allen Teilnehmenden einen Einblick in den Stand der Projektentwicklungs- und Finanzierungsmodelle der Stadtbodenstiftung zu geben und die verschiedenen Ansätze gemeinsam zu diskutieren. Das Wissen über Finanzierungsmodelle zu verbreitern, ist eine zentrale Aufgabe für die Stadtbodenstiftung, um gemeinsame Entscheidungen über die Realisierung von nächsten Immobilienprojekten zu ermöglichen.